Brandbrief

Anlässlich der katastrophalen Gesetzesverschärfungen für Geflüchtete und Migrant*innen mit Behinderungen hat das BZSL im März 2024 den bundesweiten Brandbrief „Verbände fordern Schutz vor Diskriminierung für behinderte Menschen in der Migrationspolitik“ initiiert.

Gegen rechte Ideologien und für gleiche Menschenwürde

Verbände fordern Schutz vor Diskriminierung für Menschen mit Behinderung in der Migrationspolitik

Derzeit demonstrieren hunderttausende Menschen in ganz Deutschland gegen rechte Ideologien, Ausgrenzung und eine sogenannte „Re-Migration“ und fordern lautstark Demokratie, Menschenwürde und Vielfalt ein. Gleichwohl beschließen Bund und Länder die tiefgreifendsten Gesetzesverschärfungen in der Asyl- und Migrationspolitik seit 10 Jahren, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen zur Folge haben. Ein großer Personenkreis, der besonders stark betroffen ist und bisher völlig außer Acht gelassen wurde: Geflüchtete und Migrant*innen mit Behinderungen. Die Aberkennung ihres notwendigen Bedarfs an Sozialleistungen, der für die Schaffung einer gleichberechtigten Grundlage unerlässlich ist, verletzt ihre körperliche Unversehrtheit und Demokratiefähigkeit. Besonders dramatisch ist die auffallend hohe Zahl von geflüchteten Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen, die nun für 3 Jahre einer eklatanten Unterversorgung ausgesetzt sind, mit der akuten Gefahr, schwerwiegende gesundheitliche Folgeschäden zu erleiden.

Kleines Mädchen mit Gehhilfe.

Ein breites Bündnis von Selbstvertretungsorganisationen von behinderten Menschen (DPOs) und Migrant*innen (MSOs), Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, Leistungserbringern, Berufsverbänden, ärztlichen und psychotherapeutischen, juristischen und wissenschaftlichen Akteuren und weiteren sozialen und solidarischen Verbänden und Einzelpersonen tritt für Menschlichkeit, Sicherheit, Gesundheit, und Selbstbestimmung ein. Wir fordern die Achtung und den Schutz der unveräußerlichen und unantastbaren Menschenwürde – die oberste Verpflichtung aller staatlichen Gewalt – unabhängig vom Herkunftsland (Art. 1 GG). Das verfassungsrechtlich garantierte Gleichheitsgebot „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ (Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG) ist kein „Deutschenrecht“, sondern ein Menschenrecht, das für alle uneingeschränkt gilt. Die menschenrechtlichen Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention müssen endlich Eingang in die Asyl- und Migrationspolitik finden!

Textabschnitt darüber in Deutscher Gebärdensprache. (DGS)

Gemeinsam können wir etwas bewirken!

Gemeinsam haben wir als breites Bündnis von Organisationen – insbesondere im Bereich Behinderung und Flucht/Migration – unsere Forderungen bei der entscheidenden Integrationsministerkonferenz am 20. bis 21. März 2024 vorgelegt und Einfluss ausgeübt. Gleichzeitig wollen wir als vielfältige Bündnispartner*innen ein wichtiges langfristiges Signal für die unsichtbare und vergessene Gruppe von Geflüchteten/Migrant*innen mit Behinderungen setzen. Es ist die erste Initiative dieser Art, die aus der Selbstvertretung und Basis-Ebene („Grassroots“) entstanden ist. Die besonders prekäre Lage von geflüchteten Kindern, Erwachsenen und Älteren mit Behinderungen, einschließlich chronischen Erkrankungen und psychischen Beeinträchtigungen muss jetzt sichtbar gemacht werden! Schweigen ist keine Option mehr!

Textabschnitt darüber in Deutscher Gebärdensprache. (DGS)

Unsere Forderungen

  • Behinderte Menschen und ihre Angehörigen haben einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung und dürfen nicht nur auf eine freiwillige, auf staatlichem Wohlwollen beruhende Härtefallregelung angewiesen sein. Die Ausnahmeregelung, dass behinderte Menschen die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nicht zu vertreten haben, ist wieder einzuführen.
  • Asylsuchende und geduldete Kinder und Jugendliche (mit Behinderungen) sind – so wie es im Koalitionsvertrag beschlossen wurde – im Regelsystem Sozialgesetzbuch (SGB) zu versorgen.
  • Für Beziehende von Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist eine bundesweite ausdrückliche Ausnahmeklausel oder ein gesetzlicher Anspruch auf behinderungsspezifische Sozial-, Gesundheits- und Teilhabeleistungen auf SGB-Niveau zu verabschieden, bis ein Regelzugang zum SGB für alle Menschen von Anfang an ermöglicht wird.  
  • Die symbolpolitische Einführung einer bundesweiten Bezahlkarte zur Abschaffung von Überweisungs- und Bargeldmöglichkeiten für Asylsuchende und Geduldete ist zu verhindern.
  • Für Unterstützungsstrukturen im Bereich Flucht und Migration sind zusätzliche Fördermittel auf Bund- und Länderebene bereitzustellen, damit sie ihre elementare Arbeit fortführen können.
Textabschnitt darüber in Deutscher Gebärdensprache. (DGS)

Rund 200 Organisationen und 150 Einzelpersonen haben unterzeichnet

Jeweils auf Ebene des Bundes (45), des Landes (81), auf kommunaler und regionaler Ebene (75):
  • Selbstvertretungsorganisationen von behinderten Menschen (DPOs/OPDs/ZsL)
  • Migrant*innenselbstorganisationen (MSOs)
  • Vereine, (Bei)Räte, Helfer- und Arbeitskreise, Arbeitsgemeinschafen im Bereich Migration, Flucht, Behinderung, Soziale Gerechtigkeit
  • Menschenrechtsorganisationen
  • Wohlfahrtsverbände und kirchliche Gemeinschaften und Vertreter
  • Träger von Sozialen Dienstleistungen
  • Berufsverbände
  • Weitere solidarische und soziale Organisationen und Netzwerke (Kinder/Frauen/Ältere/…)
  • Juristische Vereinigungen, Anwält*innenverbände und Anwaltskanzleien
  • Akteure im Gesundheitswesen, ärztliche und psychotherapeutische Vereinigungen und Vertreter
  • Forschungsinstitute und wissenschaftliche Akteure
  • Einzelvertreter*innen mit Angabe von (Vereins-)Tätigkeiten

Formate

  • vollständiger Brandbrief als weitgehend barrierefreie PDF-Datei (3 Seiten und nummerische Endnotenliste)
  • Liste mit Unterzeichnungen als barrierefreie PDF-Datei (Stand 13.03.2024) und barrierefreie Word-Datei (Stand 05.04.2024)
  • gekürzte Version in einfacher Sprache als barrierefreie PDF-Datei
  • gekürzte Version in einfacher russischer Sprache als barrierefreie Word-Datei
  • gekürzte Version in Deutscher Gebärdensprache (DGS)
  • Pressemitteilung vom 20.03.2024 für Pressevertreter*innen (Deutsch)
  • Pressemitteilung vom 05.04.2024 für Pressevertreter*innen (Englisch)
  • Infotext und Grafik zur eigenen Veröffentlichung
  • Online-Beitrag auf Facebook, Kobinet und Linked In

Organisation

Initiiert wurde der Brandbrief von der Selbstvertretungsorganisation Berliner Zentrum für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e. V. (BZSL) im Berliner Netzwerk für schutzbedürftige Flüchtlinge (BNS) mit Unterstützung seines Dachverbandes Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) e. V. und seiner Mitgliedsverbände der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin und AWO Landesverband Berlin –Fachstelle Migration & Behinderung.

Herzlichen Dank an Alexandra Frey digital@barrierefrey.de für die Unterstützung der Barrierefreiheit. Herzlichen Dank an Kira von Sunflower Care für die Übersetzung in einfache russische Sprache. Herzlichen dank an Clara Belz vom Gehörlosenverband Berlin für die Version in DGS. Herzlichen Dank an Jana Bucke vom BZSL für die Gestaltung der Website. Herzlichen Dank an alle Mitstreiter*innen, die den Brandbrief teilen und unterstützen!

Fragen, Anregungen und Kritik senden Sie bitte an: gina.schmitz@bzsl.de

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